Neue Jagdgründe

Genre: Fantasy, Homoerotik
Status: veröffentlicht, Neue Jagdgründe bei Amazon

Inhalt:

Meermenschen mal anders: Romanze von Haimann & Feuerfischmann.

In einer Bucht mit lichtdurchflutetem Wasser leben die Haimenschen, welche sich selbst die Sandjäger nennen. So idyllisch ihr Heimatgewässer auch erscheint, ihr Leben ist geprägt von einer brutalen Beißordnung und rücksichtslosem Egoismus. Der junge und für einen Sandjäger noch schmächtig gebaute Shocai schafft es nicht länger, sich gegen seine älteren Rivalen zu behaupten. Blutig gebissen flieht er in die offene See.

Nachdem er endlich das andere Ufer erreicht hat, lernt er Lahiko vom Schwarm der Giftstachler kennen, einen Träumer und Tänzer. Betrachtet Shocai den kleinen gestreiften Kerl anfangs nur als potenzielle Mahlzeit, lehrt Lahiko ihn bald, dass es nicht immer notwendig ist, zu kämpfen, wenn man sich stattdessen gegenseitig helfen kann. Für Shocai, der als Einzelkämpfer aufwuchs, ist das eine völlig neue Erfahrung. Doch er ist neugierig. Schlussendlich lässt er sich sogar von Lahiko zum Tanz einladen, nicht wissend, dass dies der Auftakt eines ganz besonderen Rituals ist …

Diese Geschichte ist etwas für Träumer, die sich gern in ferne Welten entführen lassen und diese mit allen Sinnen erkunden wollen, für jene, die das Außergewöhnliche lieben. Bevor es heiß zur Sache geht, erlebt der Leser eine intensive Story mit lebendigen Charakteren und einer Handlung, die man so nicht alle Tage liest.

Nicht zuletzt ist diese Geschichte eine Liebeserklärung an die Schönheit des Ozeans und seine Geschöpfe.

Fantasy ohne Menschen.

XXL-Leseprobe:

Der Weiße

Tief unter der Wasseroberfläche, dort, wo die Strahlen der Sonne sich im Dunkeln verloren, lag er auf dem Meeresgrund und wartete. Kälte umfing ihn, war durch sein Fleisch und seine Knochen gedrungen, bis er keinerlei Wärme mehr in sich spürte. Sein Herzschlag hatte sich verlangsamt so wie auch sein Atem. Zwischen Traum und Wirklichkeit ruhte er, bis dass sich Leben über ihm zeigen würde. Wenige Tropfen Blut genügten, um ihn aus dem Dämmerschlaf zu holen, mochten auch fünfhundert Flossenschläge zwischen ihm und seiner Beute liegen. Nun jedoch war es kein Duft, sondern ein Bewegungsmuster, das ihn weckte. Eines, das Jagderfolg verhieß.
Ein vertrautes Pulsieren drang an seine Haut, nicht mehr als ein Kribbeln knapp an der Grenze des Wahrnehmbaren. Er öffnete die Augen. An der Oberfläche zappelte etwas, ausreichend groß, um sein Interesse zu wecken. Langsam richtete er den Oberkörper auf und blickte nach oben. Es war fast vollständig finster um ihn, doch ein paar Sonnenstrahlen fanden noch den Weg hinab, so dass er schemenhaft den Meeresgrund erkennen konnte. Weit über ihm schwamm eine Gestalt, ihm selbst recht ähnlich. Durch den Dunst aus Schwebeteilchen erkannte er einen humanoiden Kopf und den Oberkörper, der in einen langen Haischwanz mündete. Es hätte eine kleine Variante seiner Selbst sein können, es war ein Junges, kaum länger als sein Arm. Doch auch ausgewachsen würde es bei Weitem nicht seine Größe erreichen, denn es gehörte einem anderen Volk der Shezem an. Sie selbst nannten sich die Sandjäger, da sie die Küste nie verließen, wenn die Not sie nicht zwang. Während er groß, bullig, weißhäutig war und zwei Tonnen wog, wurden sie nur halb so lang, waren schlanker gebaut und ihre Haut war grau wie Stein. Und sie schmeckten gut.
Die Strömung schob das Junge unbarmherzig fort von seiner Heimatbucht. Wie sehr es auch mit der Schwanzflosse schlug, das Ufer lag bald weit hinter ihm. Zusammen mit dem Jagdrevier der Sandjäger endete hier draußen auch der Schutz des Schwarms. Das Meer trug die Schreie des Jungen zu ihm hinab. Weit und breit war niemand sonst zu riechen oder zu spüren. Gut.
Er setzte seinen massigen Leib in Bewegung. Langsam zunächst, vom Alter gezeichnet, mit knisternder Wirbelsäule, doch das änderte sich rasch. Zusammen mit dem Wasser wurde auch sein Blut wärmer, je höher er stieg und seine Bewegungen wurden geschmeidiger. Er konnte das Junge jetzt deutlich erkennen, den typischen haarlosen Kopf, der allen Völkern der Shezem zu eigen war und die undurchsichtigen dreieckigen Flossen seitlich des Schwanzes. Die Kiemen an den Seiten des schmächtigen Brustkorbes pumpten schnell, ein Zeichen, wie sehr das Junge sich im Kampf gegen die Strömung verausgabte.
Der Druck auf den Körper des Weißen wich einer angenehmen Leichtigkeit, seine Flossenschläge wurden schneller und müheloser, als hätte er nicht die zwei Tonnen seines Gewichts zu tragen. Wärme durchflutete seine Muskeln und machte ihn stark. Die Wasseroberfläche erschien von Nahem so hell, dass es so aussah, als schwimme er in ein Meer aus Licht hinein.
Das Junge wandte den Kopf erst hinaus zur Hochsee, wohin die Strömung es trieb, dann nach hinten in Richtung der Heimatbucht. Jetzt drehte es das Gesicht nach unten. Entsetzt riss es die Augen auf, den Mund mit den winzigen dreieckigen Zähnen. Es kam nicht mehr dazu, zu schreien.

 

In der Heimatbucht

Shocai hatte dem Namen eines Sandjägers alle Ehre gemacht. Er spuckte den Giftstachel aus, den er dem erlegten Rochen abgebissen hatte, damit er sich nicht nachträglich noch daran stach. Sein Magen rumorte bei dem Geschmack des Blutes auf seiner Zunge und verlangte nach mehr. Es war lange her, seit er das letzte Mal so gute Beute gemacht hatte. Zu lange, um nicht einen inneren Kampf mit sich auszutragen, ob er den Fisch nicht doch lieber selbst verzehren sollte. Es kostete ihn alle Willenskraft, dem Hunger standzuhalten. Aber es gab etwas, das wichtiger war.
Der junge Sandjäger stieg ein paar Flossenschläge vom Grund auf und machte sich auf den Weg nach Yehiss. Er hatte sich während der Jagd schon viele Tage auf dieses Ufer hin zu bewegt und würde nun nicht mehr lange schwimmen müssen. Misstrauisch hielt er nach allen Seiten Ausschau. Er würde nicht der Einzige sein, der diesen Weg nahm. Bis jetzt war alles nach Plan verlaufen und er hatte keine Lust, das Unternehmen wegen eines dummen Anfängerfehlers zu gefährden. Momentan erschien alles ruhig. In der Ferne war niemand zu erblicken, auch nicht zwischen den veralgten Felsbrocken, die überall auf dem Sand verstreut lagen. Shocai hielt sich in der Deckung, welche sie boten. Die Sonnenstrahlen tanzten durch das Meer und brachten seine graue Haut zum Glänzen. Warm, sehr warm war das Wasser heute. Die Spitzen seiner Bauchflossen kitzelten, als sie durch den feinen Sand fuhren. Wasserpflanzen wogten im ewigen Takt der Strömung, als würde das Meer atmen. Dazwischen glitzerten Schwärme winziger Fische, die unter die Blätter huschten, als er sich näherte. Nach wie vor war niemand außer ihm zu sehen und es war wichtig, dass es so blieb.
Sicherheitshalber nahm Shocai den Umweg über die Calabasströmung. Er müsste sie jeden Moment erreichen. Und hier war sie. Das Wasser zog ihn kraftvoll seitwärts. Die berüchtigte Brandungsrückströmung riss ihn fort von der Bucht, hinaus in Richtung des offenen Meeres. Er hatte die Warnungen der anderen noch sehr lebhaft im Gedächtnis, ihre Schauergeschichten über die riesigen Ungetüme, die es fernab der Küste angeblich gab und die jeden Sandjäger fraßen, der es wagte, den Schutz des Schwarmes zu verlassen. Doch er hatte gelernt, dass sein erwachsener Körper dieser Strömung durchaus trotzen konnte. Wenn er es nicht zuließ, dann würde sie ihn nicht weiter hinaus zerren, als er es wollte.
Er folgte der Calabas, bis der Meeresboden steil nach unten fiel und im Dunkeln verschwand. Ein Gefühl der Beklemmung breitete sich in Shocais Brust aus, als er keinen Sand mehr unter sich sah. Fest umklammerte er den Schwanzstumpf des toten Rochens. Er musste sich innerlich dazu zwingen, die eingeschlagene Richtung beizubehalten und nicht einfach umzukehren und doch den direkten Weg zu nehmen.
Khashi, flüsterte er in Gedanken den Namen seiner Freundin aus Kindheitstagen, um sich daran zu erinnern, worum es heute ging. Für dich hungere ich einmal mehr. Für dich schwimme ich über das Schwarze Wasser. Er schlug kräftig mit seinem Schwanz, um sich innerhalb der Calabas seitlich zu bewegen, fort von seinem Heimatufer, hin nach Yehiss. Er überquerte die Strömung, während sie ihn gleichzeitig immer weiter hinaus trug. Die anderen Jünglinge tauchten in der Regel einfach unter ihr hindurch, um auf die andere Seite der Bucht zu gelangen, und dann fanden die Alten sie. Ihn jedoch würden sie nicht bekommen, denn er schwamm den Weg, den niemand freiwillig nahm!
Er hatte die Calabas fast überquert. Dort, wo die Strömung sich am ruhigeren Wasser vorbeischob, traf es Shocai wie der Schlag einer gewaltigen Flosse. Er wurde von den Scherkräften mehrmals herumgewirbelt, ehe er sich wieder fing. Geschafft! Der schwierigste Abschnitt stand ihm allerdings jetzt noch bevor – und diese Schwierigkeit lag nicht nur in unwirtlichen Wasserverhältnissen, sie war weitaus bedrohlicher. Sie konnte ihn viel Blut kosten, seine Flossen und sogar sein Leben.
Shocais Herzschlag beschleunigte sich, als er sich bewusst wurde, dass er genau diesen Abschnitt seiner Reise soeben antrat.
Er ballte die freien Finger zur Faust und setzte seinen Weg fort, ließ die Hochsee hinter sich und schlug wieder die Richtung der Küste ein. Weit unter ihm tauchte der Sandboden wieder auf und Erleichterung erfüllte ihn. Es waren die ersten Ausläufer von Yehiss, dem Ufer, nach welchem man sich in seiner Heimat so sehr sehnte. Es lag nur wenige Tagesreisen entfernt, wenn man sich beeilte, doch war es nur einmal im Jahr, während der Warmwasserzeit, gestattet, hierher zu schwimmen. Zu einer anderen Zeit würde es ohnehin keinen Sinn machen.
Vor Anspannung biss er seine dreieckigen Zähne zusammen. Er musste es schaffen, durchzukommen! Immer wieder hielt er nach den Alten Ausschau. Bisher war keiner zu sehen, doch je mehr Zeit er brauchte, um an sein Ziel zu gelangen, umso größer wurde die Wahrscheinlichkeit, von ihnen abgefangen zu werden. Mit Rivalen gingen sie wenig zimperlich um. Er beschleunigte er das Schlagen seiner Schwanzflosse.
Der ansteigende Meeresgrund veränderte sich. Das Wasser wurde heller. Nach einer Weile sah Shocai die ersten Lichtspiele auf dem Sand. Wo Licht war, da war auch Leben. Dichte Algenwiesen verdeckten bald jedes Sandkorn und jeden Stein, erst flach wie Seemoos, dann lang wie Krakenarme. Vereinzelt streckten die Wasserpflanzen ihre krautigen Ausläufer bis unter die Oberfläche aus. Nach und nach verdichteten sich die langen Tangbüschel zu einem ganzen Unterwasserwald. Shocai musste schlängeln wie ein Seeaal, um nicht ständig mit den Flossen irgendwo hängen zu bleiben. Es roch gut hier, süßlich und das Atmen schien leichter als anderswo. Die Alten hatten erzählt, dass dies von den abertausend winzigen Luftblasen kommen würde, die von den Blättern aufstiegen. Gutes Wasser. Aber gefährlich. Shocai vermied ruckartige Bewegungen und schwamm, wenn es ging, in der Deckung der großen Wasserpflanzen.
Ein Schwarm von Jungen, die Jagen spielten, flitzten an ihm vorbei, ohne ihn zu bemerken. Wo Junge sich tummelten, da waren auch die Frauen nicht fern. Und jetzt, wo die Warmwasserzeit begonnen hatte, würden sie die Männer in ihrer Nähe dulden. Hoffentlich waren sie schon so weit. Und hoffentlich störte sich Khashi nicht daran, dass sein Tigermuster fast noch unsichtbar war.
Er umklammerte fest die mitgebrachte Beute. Seine Finger zitterten. Shocai war sehr zeitig nach Yehiss gekommen, kaum, dass er den Anstieg der Wassertemperatur auch nur bemerkt hatte. Das war geschickt und gefährlich zugleich. Ihm kam dadurch der Vorteil zugute, einer der Ersten zu sein, er riskierte aber auch, dass die Frauen noch nicht bereit waren, ihn zu empfangen. Was dann geschah, war nicht viel angenehmer, als einem männlichen Rivalen zu begegnen.
„Wo sind eure Mütter“, fragte er die Jungen, die flink wie Makrelen herum sausten.
Als er sie ansprach, stießen sie hinab in den wogenden Algenrasen und waren nicht mehr zu sehen. Shocai sank langsam zu ihnen hinab, um sie nicht zu erschrecken.
„Wo sind die Frauen?“, fragte er sanft.
„Wir dürfen nicht mit Männern reden“, piepste ein Stimmchen.
„Ach, was“, versuchte er es noch einmal. „Ich bin nett, ich habe noch keine Streifen. Seht ihr?“
Er zeigte ihnen seinen grauen Rücken. In dem Moment schon sich ein Schatten vor ihm über die Pflanzen und verschluckte die Lichtspiele auf den Blättern. Verfluchte Unaufmerksamkeit!
„Die Frauen mögen es nicht, wenn man sich den Kindern nähert“, grollte jemand von oben. „Und ich mag es auch nicht. Es könnten die meinen sein.“
Shocai blickte hinauf. Der Neuankömmling war deutlich größer als er selbst, bestimmt um eine ganze Armlänge. Zahllose Bissnarben ließen seine graue Haut wie eine Felsenlandschaft erscheinen. Das Tigermuster auf seinem Rücken war tiefschwarz. Einer von den Alten. Er war mager, sein Bauch dellte sich ein und die Rippen standen hervor. Doch so lange der Alte noch die Kraft aufbrachte, in der Warmwasserzeit hierher zu kommen, so lange war er auch bereit zu kämpfen, mochte er auch noch so ausgehungert wirken. Der große Sandjäger kreiste über dem verängstigen Jüngling. Shezem wuchsen ein Leben lang. Wenn sie eine bestimmte Größe erreichten, bekamen sie ein dunkles Tigermuster und man bezeichnete man sie als Alte. Von da an streckte ihr Körper sich nur noch langsam. Obwohl Shocai schon alt genug war, Yehiss zu besuchen, würde es mindestens noch zwanzig Warmwasserzeiten dauern, ehe er groß und erfahren genug war, sich mit einem wie diesem hier messen zu können.
Shocai haderte mit sich selbst. Noch konnte er fliehen und hoffen, dass der andere ihn nicht verfolgte. Doch es gab viel, das er verlieren würde, wenn er nun wieder umkehrte. Er hatte Khashi versprochen, da zu sein, wenn es einmal so weit sein sollte. Und sie hatte versprochen, auf ihn zu warten. Er hielt den Rochen unter seinen Bauch und wich dem Alten aus. Es sollte wie eine Flucht aussehen.
Der Alte senkte sich zu ihm herab. Mit seinem großen Leib versperrte er den Weg nach Yehiss. Auch wenn er ausgezehrt wirkte, so war er doch nach wie vor kräftig genug, um Shocai durch seinen bloßen Anblick einzuschüchtern. Die Muskeln seiner Arme spannten sich, Bizeps und Schultern traten hervor und seine Intimregion war wegen des warmen Wassers rot geschwollen. Shocai brachte den Rochen so unauffällig wie möglich hinter sich.
Der Alte begutachtete den Jüngeren von oben bis unten. „Du weißt, dass es schlimm enden kann, wenn man solche Dinge mit sich herum trägt?“
„Wie? Was meinst du?“
„Es gibt hier Sandjäger, die sehr schlechte Laune bekommen, wenn man ihnen so etwas vorenthält.“

[…]